Gartentor offen

Aktuelles mit Esprit

  • Ab sofort ist das Buch Blüte, Blatt und Stiel als Restauflage verbilligt lieferbar.
  • Der Garten ist zur Zeit nicht zu besichtigen.



Problem: Wildschweine im Wohngebiet

Wenn Gärten und Grundstücke nicht geschützt und gepflegt werden, dann ...

Gartenlandschaft ist Kulturlandschaft:

Gärten und offen gehaltene ( = nicht verbuschte und bewaldete) Grundstücke, also auch unsere sogenannten "Gütle", bilden einen Teil unserer Kulturlandschaft. Diese Kulturlandschaft kann gebietsweise ganz unterschiedlich ausgestaltet sein und prägt typisch regionale Landschaftsbilder.

Gärten (im Folgenden bezeichne ich auch Obst- und Wiesengrundstücke als Gärten) benötigen kontinuierliche und jahreszeitlich abhängige Pflege und Fürsorge ihrer Besitzer und Pächter.
Dabei geht es nicht nur um das Mähen von Rasen und Wiese, das Bepflanzen mit Blumen und Gemüse, das Ernten von Früchten und das Beschneiden von Sträuchern und Bäumen, sondern auch um eine sinnvolle und arbeitserleichternde Ausgestaltung der Gärten mit Wegen, Stufen und kleinen Ebenen, vor allem in Hanglagen. Wir haben es in Tübingen häufig mit Gärten in Steilhanglagen zu tun, die nur dann zufriedenstellend zu bearbeiten sind, wenn man die Möglichkeit hat, sie gut begehen zu können und es immer wieder Stufen und ebene Stellen gibt, auf denen Körbe, Säcke und Arbeitsgeräte abgestellt werden können und für uns selber eine gewisse Standsicherheit gewährleistet ist.
Weil es so extrem mühsam ist und weil vielfach die derzeitige junge Generation von Gartenbesitzern kein Interesse mehr an der aufwändigen Bearbeitung ihrer Gärten hat, sind in verschiedenen Tübinger Stadt- und Wohngebieten Teile dieser Kulturlandschaft verbuscht und bilden die heutigen Einstände für Wildtiere1.

1. Ein Kreislauf mit Folgen:

Wenn nun die noch gepflegten Gärten in unserer Stadt immer wieder von Wildschweinen heimgesucht werden, dann bedeutet dies Zerstörung des Gartens. Auf der Suche nach Fressbarem wird 1) der Gartenboden aufgebrochen und verwandelt sich in eine Schollen- oder Kraterlandschaft. Dabei sind Böden, die besonders gut gedüngt, gewässert und mit ökologisch wertvollem Bodenleben ausgestattet sind, besonders betroffen. 2) Begrenzungen und Stufen aus Holz werden von den Tieren herausgerissen, weil sich dort eiweißreiche Larven im Boden aufhalten. 3) Steinplatten und Abdeckplatten werden umgedreht, weil sich auch unter diesen nährstoffreiches Getier aufhält. 4) Trockenmäuerchen werden auseinander genommen, weil hinter den Steinen ebenfalls fressbares Bodenleben existiert.
Gartenteiche mit Sumpfbereich werden innerhalb weniger Monate in Suhlen verwandelt, in den Pflanzen- und Tierleben ausgerottet ist. Das Wasser ist durch wiederholten Urin- und Koteintrag verunreinigt und kann Krankheitserreger beinhalten.
Teich schön

Teich ok
© Fotos Birgit Metzen
Teich zerstört

Teich zerstört
© Fotos Birgit Metzen
 

Eine Instandsetzung und Reparatur des Gartens nebst dem Ersetzen zerstörter Pflanzen oder gefressener Pflanzenteile (Wurzeln, Knollen, Zwiebeln) kostet Zeit, Energie und Geld; und macht nur dann Sinn, wenn der Garten in einer geeigneter Weise geschützt werden kann.
Gärten, die auf oben beschriebene Weise immer wieder attackiert werden, sind spätestens nach 2 Jahren objektiv nicht mehr nutzbar2. Subjektiv empfunden und im Einzelfall kann das noch viel schneller gehen.

Das bedeutet, dass Gartenbesitzer und Pächter irgendwann resignieren und die Gärten sich selber überlassen. Und dies bedeutet ein Verwildern der Grundstücke. Mit dem Verwildern der Grundstücke werden die nächsten und neuen Einstandsmöglichkeiten für Schwarzwild geschaffen.
Optimale Einstandsmöglichkeiten wiederum begünstigen eine gute und schnelle Verfügbarkeit an Nahrung für die Wildtiere. Eine gute Ernährungssituation (, und die ist in den hiesigen Wohngebieten der Hänge ganzjährig gegeben,) spielt aufs Neue für die Steigerung der Wildschwein-Population eine nicht unerhebliche Rolle.

Wenn wir also keine Möglichkeiten haben, unsere Gartenlandschaft vor Schwarzwild zu schützen, dann sind wir gerade dabei, für eine Potenzierung der derzeit entstehenden Problematik zu sorgen.

2. Wiederholt zerstörtes Leben im Garten – Gefahr für die Biodiversität:

Naturnahe Gärten sind Refugien für viele Pflanzen und Tiere. Sie bieten vielfältigen Arten einen (Über-) Lebensraum, der in zugewachsenen, verbuschten und Wald-Bereichen und in den Monokulturen der Landwirtschaft kaum oder gar nicht mehr existiert.

Mag das Wühlen der Wildschweine im Wald positive Effekte erzeugen, so bewirkt eine häufigere Wühltätigkeit in den Gärten eine Zerstörung des bisherigen Bodengefüges, eine Veränderung der Struktur und der Nährstoff-Freisetzung im Oberboden.

Auswirkungen auf die Tierwelt:

Die sukzessive Zerstörung eines Habitats hat mittelbare Auswirkungen auf Insekten-, Amphibien-, Reptilien- und Vogelarten.
Eine ganz unmittelbare, sofortige Auswirkung aber hat das Wühlen der Wildschweine in den Wintermonaten, wenn sich beispielsweise Molche, Blindschleichen, Schlingnattern, Erdkröten zum Überwintern in den Boden zurückgezogen haben und zielsicher von den Schweinen geortet und ausgegraben werden.
Hirschkäfer-, Rosenkäferlarven und andere Insekten-Engerlinge leben im Larvenstadium ganzjährig unter/im Totholz oder im verrottenden Pflanzenmaterial, wie in wertvollen Komposthäufen und Mulchschichten, und werden von den Wildschweinen mittels ihres hervorragenden Geruchssinnes schnell und „totsicher“ aufgespürt. Ebenso verschiedene Regenwurmarten, die in einem organisch hochwertigen Gartenboden ihre Arbeit tun.
Das trägt zu einer schnellen Dezimierung eines einstmals hochaktiven und ausgeprägten Lebens außerhalb und innerhalb des Bodens bei.

Auswirkungen auf die Pflanzenwelt:

In den naturnahen Gärten und Grundstücken im Bereich Käsenbach und Sarchhalde wie auch im Bereich Öhlerbach gibt es einen seit zig Jahren vorhandenen, festen Bestand von Wildpflanzen und verwilderten Gartenpflanzen3.
Wird das Bodengefüge durch flächenartiges Wühlen wiederholt zerstört und die Nährstoff-Freisetzung im Oberboden4 verändert sich, hat dies Auswirkungen auf das Wachstum und die Überlebensfähigkeit seltener und empfindlicher Pflanzenarten oder ganzer, wenn auch mitunter kleiner Habitate haben – sie verschwinden.
Das Verschwinden von Pflanzen hat wiederum unmittelbare Auswirkungen auf die Insektenvielfalt usw. Und damit ist ein neuer, fataler Kreislauf in Gang gesetzt.

Fazit:

Es ist also von allergrößter Wichtigkeit, dass:

1. Gärten und Gütle schnellstens wirksam und nachhaltig vor den Wildschweinen geschützt werden. Der Faktor Zeit spielt dabei eine maßgebliche Rolle. Denn, ist der Garten erst einmal zerstört und kaum oder nicht mehr nutzbar, kann er nur unter einem sehr hohen Kosten-, Energie- und Zeitaufwand wieder rekultiviert werden.
2. die jetzt schon vorhandenen Einstände, in denen sich die Wildschweine nahe bei den Gärten und Grundstücken geschützt und ungestört aufhalten können, müssen baldigst aufgelöst und beseitigt werden.

Solange es in privaten Grundstücken und auf städtischem Gebiet, nahe bei den Gärten, ideale Einstände für das Schwarzwild gibt, bleibt die Gesamtproblematik nicht nur weiter bestehen, sondern sie verschärft sich in schnell zunehmendem Maße.
1. Einstände sind ideale Deckungsmöglichkeiten für Wildtiere, in denen sie sich geschützt und ungesehen aufhalten können. Ein sehr guter Einstand ist beispielsweise der „unsichtbare“ Lessingweg (= städtisches Gebiet im Gewand Käsenbach) und die unterhalb liegenden Privatgrundstücke, die seit über 20 Jahren nicht mehr gepflegt und offen gehalten werden.
2. Seit März 18 (Beginn eines von mir geführten Wildprotokolls) bis September 18 waren die Wildschweine 22 mal in meinem Garten und in den direkt anliegenden Grundstücken und auf dem oberen Lessingweg zugange. D.h. pro Monat waren und sind die Wildschweine in diesem halben Jahr durchschnittlich 3,7 mal in meinem Garten anwesend und zerstören ihn damit kontinuierlich. In einem weiteren Jahr ist vom ursprünglichen Garten kaum mehr was übrig. Er ist bereits heute in Teilen völlig verwüstet und nicht mehr so nutzbar, wie er es noch vor einem Jahr war.
3. Beispielsweise befinden sich in meinem über 2000 qm großen Garten-Gelände schon immer folgende Wildblumen: 2 Schlüsselblumenarten (Primula veris u. P.eliator), Bach-Nelkenwurz, Rote Lichtnelke u. Kuckuckslichtnelke, Sternmiere, Graslilie, Leimkräuter, Pimpinelle, Wiesen-Storchschnabel, Bienen- u. Hummel-Ragwurz, Bocksorchis (wandert und ist deshalb nur zeitweise vorhanden), versch. Veilchen, Berg-Flockenblume, Wiesen-Bocksbart, Wiesen-Glockenblume, Wald-Glockenblume, Baldrian, Schierling, Herbstzeitlose, Bittersüßer Nachtschatten, Zaunrübe, Tauben-Skabiose; verwilderte Gartenpflanzen: versch. Akeleien, Osterglocke, rosa u. rote Bauernpfingstrose,
Staudenwicke 4. NABU-Positionspapier zum Umgang mit Wildschweinen, Berlin 2009




Eine traurige Nachricht:
Der Tod meines Garten-Lehrmeisters Dr. Claus Schilde


Am 2. April 2014 ist mein von mir sehr geschätzter Garten-Lehrmeister Claus Schilde verstorben. Er war ein eigenwilliger und kompromißloser Gärtner und Wissenschaftler, der stets das Ganze und die Vielfalt im Blick hatte und für eine lebendige und streitbare Gartenkultur ohne Schnörkel und Moden eintrat.
Die Schönheit und Einzigartigkeit einer einzelnen, kleinen Pflanze war für ihn genauso wichtig wie die wirkungsvolle Pracht groß angelegter Gehölzpflanzungen. Sein ganz entschiedenes Anliegen war es immer, den Pflanzen die Lebensbedingungen zu schaffen, die sie brauchen, um sich entwickeln und entfalten zu können.

Wir wünschen ihm die große, gute Ruhe in der schwäbischen Erde, die er immer so gerne mit Sand angereichert hat.