Feuilleton

Zum widersprüchlichen Nachdenken:
"Narren hasten, Kluge warten, Weise gehen in den Garten."


Wie oft sieht frau und man dieses Zitat in Werbungen von Gartenfachbetrieben und Gärtnereien. Seltsam, oder nicht? Denn warum gerade da? Na, das ist für mich ganz klar: weil das dem überaus profanen, Interessen-orientierten Geschäft mit Pflanzen, Garten- und Dekorationsartikeln dient. Es gibt dem Ganzen so eine wunderschöne philosophische Patina, ein Guss und Kuss der Kunst, des traumhaften Künstlichen und vermeintlich Künstlerischem.

Aber, nüchtern betrachtet, aus dem Blickwinkel eines im Garten arbeitenden Menschen, der den Garten möglicherweise auch noch zur Ergänzung des Broterwerbs braucht, nicht alle Zeit dieser Welt zur Verfügung hat, der nichts verdient mit seinem Garten, dem Gütle und dem Acker, der auch nicht a priori alles schon weiß und wissen kann; eines Menschen, der nahezu täglich mit der Scholle, den Schädlingen und dem Wetter kämpft, um irgendeine Freude und ein Ertrag aus dem Boden herauszuziehen, ist dieser Sinnspruch von Rabindranath Tagore (1861-1941) eigentlich schlichtweg eine Zumutung. Wie und in welchem Kontext der ernstzunehmende Bengalese zu diesem Ausspruch kam, ist mir nicht bekannt, interessiert mich aber auch nur in zweiter Linie. Interessant für mich ist primär die Anwendung dieses Wortgebildes in hiesigen Gefilden und weitab von Bengalen, in einer bestimmten Interessenlage und natürlich hier angewandt mit voller und berechnender Absicht der Gewerbetreibenden.

Bin ich weise, nur wenn oder weil ich in den Garten gehe? Vielleicht, aber nur vielleicht und höchstwahrscheinlich dann auch nicht. Ich muss in den Garten, weil gerade jetzt die Erde am besten zu bearbeiten ist, weil ich momentan die Zeit dafür aufbringen kann, weil..., weil...

Oder, versuche ich, Weisheit (was, um Himmels Willen ist das denn?) im Garten zu finden? Suche ich die Weisheit in Form von phänomenalen Einfällen, genialen Ideen oder stoischer Gelassenheit bezüglich des gerade stattfindenden, massenhaften Einzugs von Raupen, Blattläusen, Schnecken und Co? Ich versichere Ihnen mit allem mir zur Verfügung stehenden Nachdruck: Wollte ich die Zeit, die ich in meinem Garten verbrachte, mit der viel gepriesenen Weisheit gefüllt haben, dürfte ich wohl ausgesorgt haben bis ans Ende meiner - natürlich mit Weisheit gefüllten - Tage, dürfte genießend in meinem Musenhain sitzen und müsste meine geschundenen Finger nicht mehr krumm und noch krummer machen. Warum kein kleinstes Wort von Arbeit und Schufterei, von Hexenschuss und Rosendornen in den Fingern?

Meinen geliebten Mit-Schwaben dient diese bengalische Weisheit dazu, die Schufterei im heimischen Tonboden und im Steilhang zu vergolden und dazu noch: einen fast überirdischen Sinn zu verleihen. Zudem auch dazu, die Tätigkeit, womit Erwerbsgärtner ihr Geld verdienen, ganz geschickt und hinterrücks philosophisch zu untermauern - in Universitätsstädten ist solch eine Inszenierung ganz bestimmt ein Renner!

Und so trete ich genau jetzt mit meiner gnadenlosen Provokation an: Gartenarbeit ist die beste und schönste sinnfreie Arbeit, die es geben kann und gibt. Sie hat mit Weisheit gar nichts zu tun! Denn, es gibt dumme und fiese Ratten, die Gärtner oder Gartenmenschen sind und die vor Dumpfheit, Neid und Missgunst schier platzen. Es gibt solche, die ständig auf ihren eigenen Vorteil schielen und denen es offensichtlich sehr weise erscheint, Vorteile für sich alleine zu sichern und andere in die Röhre gucken zu lasse. Und, es gibt auch solche, die sich im Garten tagaus, tagein ziemlich bucklig schaffen und nach 30 Jahren immer noch keinen einzigen Löffel Weisheit gefressen haben.

Sollte sich bei einem von uns, irgendwann und irgendwo ein Fünkchen Weisheit einschleichen, während sie/er im Garten hantiert, staunt oder genießt, dann hat das meiner bescheidenen Meinung nach nur und ganz allein mit der Person und Persönlichkeit selber zu tun - die müsste sich allerdings nicht unbedingt im Garten aufhalten, sondern sie könnte genauso gut auf der chinesischen Mauer, in einer Bibliothek, auf einer Bootsfahrt auf dem Neckar, oder in einem guten Restaurant zugange sein.


Wie aus einer kleinen brasilianische Baumfee unser Weihnachtskaktus wurde


Es waren einmal -vermutlich in einem Dezember vor etwa 200 Jahren- begeisterte Pflanzenjäger aus Europa, die sich, ausgestattet mit Fernrohr, Brustbeutel und Pflanzentaschen, durch die südöslichen Regenwälder Brasiliens kämpften, um im Auftrag ihrer Regierungen, Königshäuser und Wissenschaftler nach blühenden Pflanzen für Salons, Wintergärten und Experimentierpflanzungen zu suchen. Denn in den meisten Ländern des damaligen Europas war der Winter grau und trist und man sann ständig darüber nach, wie wohl die dunkle Jahreszeit zu überlisten und wenigstens zum Weihnachtsfest, ein Blütenschmuck in die Wohnräume zu bringen sei. Einheimische haben den Pflanzenjägern von kleinen, strahlend schönen Baumfeen berichtet, die an Berghängen in etwa 700 Metern Höhe, hoch oben in den Bäumen leben und mit zarten, leuchtenden Blüten winken. Nach tagelangen, mühsamen Wanderungen durchs Unterholz, immer wieder behindert und umschlungen von lästig anhäglichen Lianen, entdeckten die fast erschöpften Jäger in halbschattigen und luftigen Baum-Höhen von 15 bis 20 Metern, eine große Anzahl von zauberhaften Blütenköpfchen in allen Farb-Schattierungen von kräftig Rosa, über Lila hin zu Weiß. Ein Glück, dass es geübte einheimische Kletterer gab, die flugs die Baumstämme erklimmen und die kleinen Elfen aus ihren Astgabel-Nestern lösen konnten. So traten die kleinen brasilianischen Baumfeen ihre Reise nach Europa an und zählen heute zu den beliebtesten Zimmerpflanzen überhaupt.

Der Weihnachtskaktus (Schlumbergera) stammt aus der Familie der Kakteengewächse (Cactaceae) und ist ein Blattkaktus, dem die Stacheln (fast) abhanden gekommen sind. Es ist ein strauchig wachsendes, gut verzweigtes Gewächs, das meist epiphytisch, d.h. auf den Urwaldbäumen siedelnd wächst, weil es da die geeigneten und überlebensnotwendigen Licht-, Luft- und Feuchtigkeitsverhältnisse findet. Die vielen farbenfrohen Sorten, die zwischenzeitlich sogar orange Farbtöne und Zweifarbigkeiten aufweisen, sind meist Hybriden, also gärtnerische Züchtungen, die pflegeleicht und blühwillig unseren Alltag verschönen.
Probieren Sie es doch selbst einmal aus; es ist ganz einfach, kleine Weihnachts-Feen selbst zu ziehen. Jeder Blattspross, in ein Erde-Sandgemisch gesteckt, wurzelt und blüht bestimmt!


Im Reich der Gräser

Grässlich - ein Garten ohne Gräser!
Karl Foerster

Es war zweifellos der große Garten-Lehrmeister und Garten-Philosoph Karl Foerster, der in geduldiger Pionierarbeit das ganze Spektrum der eindrucksvollen und zauberhaften Ziergräser salonfähig für den Garten machte. Er bezeichnete Gras als "das Haar der Erde" und sorgte dafür, dass es über den "geschorenen Zustand" (= Rasen) hinaus schillernd, leuchtend und strahlend Einzug in unsere Gärten halten durfte.
Und er hat es geschafft meine ich, denn mittlerweile können Sie problemlos Gräser in jeder gut sortierten Staudengärtnerei und in vielen Gartencentern erstehen. Auch in Tübingen wurden vor wenigen Jahren und an wenigen Stellen Gräser mit mittlerer Höhe als sogenanntes Straßenbegleitgrün eingesetzt. Doch gibt es immer wieder unter unseren Gartenfreunden 'Grasmuffel', die den Reiz einer Marbel, Binse, Segge, Schmiele oder eines Schwingels nicht erkennen wollen und an den Horsten von Halmen vornehmlich das Flatterhafte und manchmal auch etwas Unordentliche sehen.
Wassertropfen am Pfeifengras
Wussten Sie, dass Gras die nützlichste Pflanze dieses Erdenrunds ist, ohne das wir kaum existieren könnten? Die Samenkörner von Reis, Weizen, Gerste, Roggen, Hafer, Hirse, Mais und noch viel mehr sind Grund- und Hauptnahrungsmittel für uns Menschen und auch als Tierfutter von größter Bedeutung. Mit dem Stroh deckte man früher Dächer, fertigte Schuhe und Kopfbedeckungen. Der Riesenchinaschilf wird heute als Grundstoff für Biokunststoffe genutzt und dient als Baumaterial für Wände und Böden. Und denken Sie an den Bambus. Er ist das größte Gras im Gräserreich. Seine zarten, frischen Spitzen werden in Südost-Asien täglich gegessen und die langen, biegsamen und sehr stabilen Halme dienen als perfekte Baugerüste.

Doch zurück zum Garten. Falls Sie der Meinung sein sollten, dass Gräser im Sommer halt grün sind, dann muss ich energisch widersprechen. Es gibt längsseitig grün-gelb gestreifte Seggen, das quergestreiftes Stachelschweingras 'Strictus', den stahlblauen Blaustrahlhafer 'Saphirsprudel', das rostrote Blutgras 'Red Baron', das leuchtend rotgoldene Japan-Goldbandgras 'Aureola' und das rote Lampenputzergras 'Rubrum'.
Sie können Gräser fast überall problemlos pflanzen und halten: Im Steingarten als kleine Polster und Ruhepol für die Augen. In verschiedenen Höhen und Größen im Staudengarten, vor der Hauswand und vor Mauern verbinden und vermitteln sie zwischen rivalisierenden Stauden. Als Hintergrund oder Einrahmung für Gartenplastiken sind sie geradezu ideal. Als Teichrandbepflanzung sind sie ein Muss. Achtung: Bei kleineren Platzverhältnissen unbedingt darauf achten, dass Sie nichtwuchernde Gräser auswählen.
Als Solitäre sind die Riesengräser unschlagbar eindrucksvoll und oft der ganze Stolz ihrer Besitzer. Als transparenter Sichtschutz, ähnlich einer Gardine vor einem Fenster, zeigen sie sich diskret 'schleierhaft' und wiegen sich graziös im leichten Wind.

Für alle Standorte gibt es geeignete Gräser. Und für diejenigen unter Ihnen, die keinen Garten, sondern lediglich ein kleines Pflanzenparadies auf einer Terrasse oder einem Balkon haben, möchte ich ganz ausdrücklich sagen: Gräser sind bestens geeignet für Töpfe, Kübel, Schalen und Wannen, denn sie sind -mit wenigen Ausnahmen- anspruchslos und überaus anpassungsfähig.

Und noch etwas, was ganz entschieden für Gräser in Gärten und öffentlichen Anlagen spricht: Viele von ihnen zeigen sich im Herbst in auffälliger Erscheinung und in ihren trockenen Blüten oder Samenständen glitzern silbern die Wassertropfen und samtig-weiß der Raureif-Überzug im Winter.



Pomona - Die Hüterin der Obstgärten

"Nicht Waldungen liebt sie, noch Flüsse;
Aber die Flure und Äste mit glücklichem
Obste belastet."

Ovid, Metamorphosen über die Nymphe Pomona


In so manchem Herbst biegen sich die unteren Zweige der Apfelbäume teilweise bis auf den Boden. Sieht das Obst naturgemäß auch nicht ganz makellos aus, so ist die Fülle der großen und kleinen Bäume, des Mostobstes und des Edelapfels, der alten wie der neueren Sorten ein überwältigender Anblick. Und fast könnte man sich fragen: Übertreibt die Natur da nicht ein bisschen? Zumindest ist die Bewertung dieser Über-Fülle je nach Mensch und Interesse doch sehr unterschiedlich, ja oft sogar gegensätzlich.
So wurde ich unlängst Zeuge eines äußerst knappen und typisch schwäbischen 'Disputs' in der Tübinger Haaggasse: Ein alter Anwohner, der dem Pietismus sehr zugetan ist ruft einem anderen und mürrisch dreinschauenden Altstadtbewohner auf seinem klapprigen Moped, in dessen Anhängerle sich mehrere Säcke mit aufgelesenem Ost befinden mit feierlicher Stimme: "Gell, heuer hend mir aber an Apfel-Segen" zu. Dieser bremst kurz ab, stellt seine Füße auf den Gassenboden und donnert lauthals: "Ein Fluch isch des!"
Abgesehen von der ganz individuellen Bewertung, wie sie hier von den beiden Altstadtbewohnern verkörpert wird, unterliegt die Beurteilung, ob eine Apfel-Ernte gut und damit gewinnbringend ist, längst den Kriterien des Marktes und der konsumorientierten Verwert- und Verwendbarkeit. Und fast klingt es romantisierend und auch etwas vermessen, wenn wir angesichts blankgeputzter, tadelloser und in Plastik gehüllter Äpfel in den Farben rot, gelb und grün in den Supermarktregalen unseren wohltätigen Naturgeist, nämlich die Nymphe Pomona suchen und bemühen wollen.
So besonders, geradezu überirdisch wurde die Fruchtbarkeit der Obstgärten in der Antike empfunden, dass die griechische Mythologie eine Begleiterin und Hüterin dieser Gärten in Form einer niederen Gottheit entstehen ließ. Und hierin wird auch deutlich, dass das Fruchten und Tragen der Obstbäume keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Art kaum manipulierbares Naturereignis war und - ich möchte sagen: Noch immer ist!
Jeder Obstgütles-Besitzer wird einwenden wollen, dass es sehr wohl etwas zu beeinflussen gibt. Man kann nämlich den Ertrag durch gute Pflege und durch entsprechendes Schneiden der Bäume zu bestimmten Zeiten fördern. Und genau das tun die Menschen seit Jahrhunderten, ja seit Jahrtausenden. Selbst unsere Pomona hat auch hier durch alle Zeiten hindurch ihre Hand mitangelegt, indem sie ihre geschärfte Hippe jederzeit einsatzbereit bei sich trägt. Die Hippe der Pomona
Eine ganze Wissenschaft wurde im Laufe der Zeit aus dem Wissen um die Vielfalt der Obstbäume und ihre Kultivierung: Die Pomologie. Einer der bedeutendsten deutschen Pomologen des 19. Jahrhunderts war Eduard Lucas, der im Jahr 1843 als Lehrer für Garten und Obstkultur an die 'Königliche Akademie Hohenheim' berufen und dem später ein entsprechender Doktortitel der Universität Tübingen verliehen wurde. 1859/60 gründete er in Reutlingen ein privates 'Institut für Gartenbau Obstkultur und Pomologie'. Noch heute gibt es diese schöne und sehenswerte Parkanlage, genannt Pomologie, inmitten von Reutlingen zu besichtigen.
Lucas sah zu seiner Zeit, beschrieben in seinen 'Pomologischen Monatsheften', den Bedarf "zur Aufstellung eigener Baumwärter als das wirksamste Mittel zur Hebung der Obstkultur im Großen". Auch war es ihm ein ganz ernstes Anliegen, die Vielfalt der Arten und Sorten zu fördern und zu mehren. Da hat sie also noch gewirkt unsere Nymphe und ihre Tätigkeit in Hülle und Fülle im Verborgenen entfaltet.

Was aber sagen wir heute, angesichts der glänzenden Vier-Sorten-Einfalt in Supermärkten, Groß-Lagerhallen und Zentral-Märkten? Ist Pomona am Ende dessen, was sie verkörpert, angekommen?
Oder finden wir sie noch in den Obst-Ausstellungen mit mehreren hundert verschiedenen Sorten, im Wiederaufleben neuer Baumschulen mit alten Sorten und dem bewussten Hegen und Pflegen der privaten 'Gütle' und 'Stückle' in unserer einmalig schönen Tübinger Umgebung?
Schauen Sie genau hin! Bestimmt taucht sie gleich zwischen den übervollen Bäumen mit ihrem Erntekorb auf.



Ein gezähmter Widerspenstiger - Der Kapernstrauch


Unlängst tat sich Wunderliches im Blumentopf meines Kapernstrauches, dessen struppiges Äußeres wie kaum eine andere Pflanze das Pflanzenleben in mediterraner Hitze und Kargheit widerspiegelt.
Vor mehreren Jahren habe ich während eines Urlaubs Ende Oktober in der sizilianischen Stadt Ragusa einige gerade aufgeplatzte Früchte eines Kapernstrauchs geerntet, der in 2 Meter Höhe aus einem Spalt einer maroden Mauer herauswuchs. Wieder zuhause habe ich die Samen in ein Erde-Sand-Gemisch ausgesät und lange gewartet. Hin und wieder legte sich ein leichter grauer Schimmelschleier über die feinen Körnchen, den ich jeweils mit der Pinzette wieder entfernte. Ich war mir fast sicher, dass dieser, bereits in den Vorjahren mehrmals wiederholte Aussaatversuch auch dieses Mal schief gehen und der gemeine Schimmelpilz wieder siegen würde. Als sich aber nach Wochen feine, hellgrüne Blättchen entfalteten, wollte ich's kaum glauben. Und jetzt, genau vier Jahre später, schenkt mir dieser widerborstige, kleine Strauch eine süß duftende und crèmefarbene Blüte von elfengleicher Anmut und Zartheit. Kapernblüte
Der meist dornige, etwa kniehohe und laubabwerfende Kapernstrauch (Capparis spinosa) aus der Familie der Kaperngewächse (Capparaceae) ist im gesamten Mittelmeergebiet heimisch. Seine auffälligen, etwa 5 bis 7 cm großen und wunderschönen Blüten erinnern in ihrer Gestalt etwas an das Garten-Johanniskraut. Aus den hellen Blüten ragt eine große Anzahl rosa oder hellvioletter Staubgefäße heraus und verleiht der Blume ihren lieblichen Charme. Die maximal 3 cm großen, rundlich bis ovalen Blätter sind ledrig und fleischig und sitzen zuweilen dicht an den überhängenden Zweigen. Bei uns kann der Kapernstrauch, ähnlich wie der Oleander, nur als Kübelpflanze gehalten werden, die frostfrei und in einem kühlen Raum überwintert werden muss. Wer den hängend-liegenden Kleinstrauch an seinem Naturstandort in voller Sonne, in Mauernischen und auf trockenen Felsen sieht, kann sich kaum erklären, wie er überhaupt überleben und die kleinen, feinen Blütenknospen, die wir als in Salz und Essig eingelegte Kapern kennen, ausbilden kann. Schon in der Antike waren die Kapern nicht nur eine beliebte und würzige Zutat in der Küche und ein harntreibendes und verdauungsförderndes Heilmittel, sondern - wie könnte es auch anders sein: Sie galten als Aphrodisiakum.

Die erbsengroßen Blütenknöspchen sind in rohem Zustand ungenießbar, eingelegt aber äußerst würzig und aromatisch. Zugegeben, an Kapern scheiden sich die Geister! Die einen denken verzückt an Vitello tonnato, dünngeschnittene Kalbfleisch-Scheiben in Thunfischsoße mit Kapern oder an Königsberger Klopse. Den anderen hingegen würde garantiert nicht das Wasser im Munde zusammenlaufen. Nun, über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Und dennoch möchte ich gerade den Zauderern und Zaghaften empfehlen, einmal einen Esslöffel der pikanten Knospen, unter fließendem Wasser abgewaschen, zum Salat zu geben und so zu probieren. Es könnte eine Überraschung werden!

Apropos Überraschung: Im oben erwähnten Urlaub in Sizilien sah ich bei einem Besuch in der Tempelanlage von Agrigent vor einer Mauer einen gebückten alten Mann stehen, der unter anderem nackte, schlanke und dunkelgrüne Gläschen mit eingelegten Kapern anbot. Als er mein Interesse daran bemerkte, erklärte er mir fuchtelnd und mit den entsprechenden Bewegungen, wie er diese kleinen Knospen unter größten Mühen in unerträglicher Hitze, unter gleißender Sonne und in den zerklüfteten Kalkfelsen am Meer selbst gesammelt habe. Beeindruckt dachte ich, diese Mühe muss belohnt werden und erstand unter den fragenden Blicken meines Mannes zwei dieser grünen Gläschen zu dem abenteuerlichen Preis von zusammen 10 Euro. Auf der Rückfahrt in unsere Ferienwohnung wollten wir noch etwas in einem nahegelegenen Supermarkt einkaufen. Als wir vor dem Regal mit den regionalen Spezialitäten standen, fiel unser Blick ganz zufällig auf schlanke, dunkelgrüne Gläschen, die uns irgendwie bekannt vorkamen. Der schwungvolle Schriftzug auf den Etiketten lautete: Capperi piccoli - Kleine Kapern.



Von Nymphen und Anemonen


Wenn im Frühling die Natur mit einem Paukenschlag erwacht, farbenprächtige Blütenköpfchen sich in der Sonne öffnen, frisches Grün aus Blattknospen bricht, wunderbare Düfte durch die Luft ziehen und das nicht enden wollende Liebesgezwitscher der Vögel zu hören ist, dann kann uns schon ein Gefühl, ja fast ein tiefes Wissen ergreifen, dass die gesamte Natur und ihre Erscheinungen durch und durch beseelt sein muss und ein Eigenleben besitzt, an dem wir zwar teilhaben dürfen, das wir aber nicht bestimmen können.
Was also ist naheliegender, als einzutauchen in die Welt der antiken Mythologie mit ihrer Vielzahl von sinnlich-göttlichen Naturgeistern, die ihre Lebensräume am Wasser, in Feld, Wald und Flur auf vitalste Weise singend und tanzend bevölkern? Nymphen, oft in Begleitung von Satyren, lieben es, ungesehen und unerkannt zu verführen und zu verzaubern, wiewohl sie auch die Aufgabe haben, dem Menschen hilfreiche und wohltätige Naturgottheiten zu sein und ihnen vorsichtig und leise Einblick zu gewähren in das Eigenleben ihres Nymphen-Daseins.
So menschlich-göttlich beseelt und bewegt eine jede Blume, ein jeder Baum, der Hain, die Wiese, die Aue, der Fluss, die Quelle, die Grotte, ja sogar der Stein in der tiefsten Wahrnehmung des antiken Menschen verankert ist, so deutlich sind diese Lebe-Wesen Bestandteil unseres menschlichen Seins an ihrem eigenen Ort und ihrer eigenen Funktion. Immer wieder begegnen uns in der griechischen Mythologie hohe und niedere Gottheiten, deren Sehnsüchte und Liebesbeziehungen zu Sterblichen, die damit verbundenen Enttäuschungen und die Rache aus Eifersucht sich in vielen Entstehungsmythen von Pflanzen niederschlagen. Kapernblüte
Wir begeben uns nun in den Frühlings-Garten der Chloris, der Göttin der Blumen und Blüten. Dort finden wir auch die ihr nahestehende Anemone, eine ihrer Lieblingsnymphen. Leider aber liebäugelt diese mit ihren strahlenden Augen mit Chloris Gatten Zephyros, dem Gott des warmen Westwinds.
Als Zephyros in Liebe zu der hübschen Anemone entflammt, wird das göttliche Techtel-Mechtel der beiden von Chloris entdeckt und bestraft. Sie verbannt die Nymphe kurzerhand aus Haus, Hof und Garten, um sie für Zephyros unerreichbar zu machen. Doch dieser lässt sich den Liebesentzug nicht gefallen und verwandelt die junge Angebetete in die zarte Blume Anemone, die sich nun leicht und anmutig und vor allem für immer in seinem Winde bewegt - das Buschwindröschen.

Wir alle kennen diese zarten Frühlingsboten, ob Buschwindröschen (Anemone nemorosa), Leberblümchen (Anemone hepatica) oder Küchenschelle (Anemone pulsatilla) aus der Familie der Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae). In allen ist unsere zauberhafte Nymphe zu erkennen.
Und wenn wir diesen hübschen Gewächsen in Wald, Flur oder im Garten begegnen, dann wissen wir, dass sie ein beseeltes Eigenleben führen und nicht nur hübsche Frühlingsdekoration sind.



Frühe Blüte, späte Frucht - Die Kornelkirsche


Von der extrem früh blühenden und spät fruchtenden Kornelkirsche ist aus den Bergregionen des südöstlichen Mittelmeerraumes folgende Geschichte überliefert: Ein Bär streift im sehr zeitigen Frühjahr, ausgehungert vom Winter und auf der Suche nach Essbarem durch die hügelige Landschaft und nimmt mit Bärenfreude die bereits blühenden Kornellen-Büsche wahr: "Dann wird es wohl auch bald schon die süßesten Früchte geben" denkt der Braunpelz und plant, in Bälde wieder hier herzukommen und zu ernten. Aber vergeblich kommt er zuerst im späten Frühling, wieder umsonst im Sommer und ebenso erfolglos im Spätsommer. Seine Bären-Geduld wird auf's Ärgste strapaziert, denn erst der späte Herbst beschert dem Pelzigen die reifen Früchte. Kapernblüte
Die Kornelkirsche, mit dem botanischen Namen Cornus mas wird auch Dürrlitze, Zisserle, Hornkirsche, Welsche Kirsche oder Beinholz genannt und kommt aus der Familie der Hartriegelgewächse (Cornaceae). Vielleicht ist Ihnen anhand der Namen und Bezeichnungen schon klar geworden, dass es sich bei dem in Südeuropa und einigen Teilen von Mitteleuropa verbreiteten Großstrauch um etwas Festes und Hartes handelt. Das lateinische cornu = Horn könnte auf das extrem harte Holz des Baumes hindeuten. Denn es ist das härteste Holz, das in Europa wächst und es ist so schwer, dass es im Wasser nicht schwimmt, sondern sinkt. Obwohl der zwischen 4 und 8 m hoch werdende Baum gebietsweise recht häufig anzutreffen ist, wurde er meist gezielt angepflanzt. Wild kommt er bei uns nicht vor. Wer im zeitigen Frühjahr, noch vor der massigen Forsythienblüte kleine, zartgelbe, fast filigrane Dolden in lichtem Gebüsch sieht, das zudem von Bienen umschwärmt wird, kann sich sicher sein, dass es sich um die blühende Kornelkirsche handelt. Mit unseren echten Kirschen, botanisch Prunus, aus der Familie der Rosengewächse, hat die Kornelle wenig zu tun. Wie diese ist sie zwar eine Steinfrucht, die Frucht aber ist kleiner und viel weniger fleischig. Allerdings gibt es mittlerweile Züchtungen, bei denen der Fruchtfleischanteil größer ist und somit die Ergiebigkeit deutlich steigt. Zugegeben, die Ernte ist etwas mühsam, denn die Kornellen reifen nach und nach über mehrere Wochen und geschmacklich sind nur die vollreifen, dunkel- bis schwarzroten Früchte am besten. Und wie schmecken sie? Der angenehme Eigengeschmack ist begleitet von einer ausgeprägten Säure, die einen hohen Vitamin C-Gehalt anzeigt. Von hervorragender Qualität können die aus den Früchten hergestellten Gelees und Konfitüren sein. Am meisten bekannt sind sicherlich die Obstbrände und Liköre, die hauptsächlich in Österreich und in großen Teilen Ost- und Südeuropas eine lange Tradition haben.
Hier ist vermutlich auch die Heimat des Kornellen-Baumes zu suchen. Er ist ein typisches Gewächs der wärmeren Gegenden Europas und wird dort seit jeher kultiviert. In Italien wurden in stein- und bronzezeitlichen Pfahlbauten häufig, fast massenhaft Kornellen-Kerne gefunden. Dies ist ein Indiz, dass sie ein wichtiger Teil der damaligen Nahrung waren.

In den Mythen des Altertums taucht immer wieder das feste, elastische Holz des Baumes auf. So soll der legendäre Bogen des Odysseus, den nur er spannen konnte, aus diesem Holz gefertigt worden sein. Tatsächlich erhielt dieses zähe, feste Holz der Kornelkirsche eine geradezu sagenhafte Bedeutung. Denn als Ersatz für Metall eignete es sich ganz besonders zur Herstellung von Speeren und Lanzen. Bei den Griechen und Römern war diese Verwendung so üblich, dass Ovid sie in seinen 'Metamorphosen' entsprechend als "kornellenen Schaft" oder an anderer Stelle "ins Gesicht er gebohret die ungestählte Kornelle" beschreibt. Angesichts dieser desillusionierend blutigen Darstellung wende ich mich unserer Kornelle doch viel lieber als schmackhaftem Mus zu. In der griechischen Mythologie nämlich heißt das Ehepaar Philemon und Baucis den von ihnen unerkannten Gott Zeus und den Götterboten Hermes mit einer solchen Mahlzeit willkommen.

Nachweislich wird die Dirlitze in Deutschland seit Beginn des Mittelalters in den Klostergärten der Benediktiner als Heilpflanze gegen Gicht, Magen- und Darmkrankheiten angepflanzt.
Dass so mancher Einwohner Ziegenhains bei Jena, nach dem Jahre 1789 bis ca. 1920 ein lohnendes Zubrot mit der Herstellung der Ziegenhainer-Stöcke verdiente, hatte er dem Holz unseres Cornus mas zu verdanken. Die geraden, geschälten Äste ergaben äußerst haltbare Knotenstöcke, die lange Zeit gut bezahlt wurden.



Garten-Fundamentalismus


"Was Du da machst, ist unökologisch" erklärte mir kompromisslos und herausfordernd unlängst eine gute Bekannte, als sie mich mit dem Gartenschlauch in der Hand neu gepflanzte Thujen wässern sah: Fragwürdiger Wasserverbrauch, nichtheimische Pflanzen, Beimischung eines fertigen Kultursubstrats zur heimischen Pflanzerde... Oha, frau hat mein Allerheiligstes attackiert! "Nun," hörte ich mich ebenso angriffslustig antworten: "dafür kommen Deine gelbstichigen Mini-Buchse nicht auf Touren, Dein geliebtes Brombeergestrüpp zerkratzt Dir (und mir!) beim Vorbeigehen Arme und Beine und die Vegetation in Deinem verwilderten Zwetschgenhain gleicht der einer Monokultur".

Hunderte solcher und ähnlicher Dialoge habe ich in den letzten 25 Jahren in meinem Kopf abgespeichert und eigentlich könnten wir doch denken, dass die Zeit der Extrem-Positionen endlich vorbei wäre. Aber nein, kaum hat die Gartensaison begonnen, laufen Garten-Fundis jeglicher Couleur wieder durch Feld, Wiesen und Gärten und hissen, wann immer sie können ihr ideologisches Fähnlein.

Warum müssen die Liebhaber des Gemeinen Hartriegels angesichts knalliger Rhododendronblüten ihren Argwohn kundtun? Oder warum kündigen die Verfechter des makellos grünen, englischen Rasens ihrem Nachbarn angesichts dessen gelben Löwenzahnparadieses die Freundschaft auf? Weshalb kriegt manch' ein Gartenfreund einen Vogel, wenn ein anderer vor lauter Kleingärtner-Freude ein Gartenzwerg-Festival veranstaltet? Und warum liefern sich Mondphasen-Aussaat-Vertreter mit Bauernkalender-Spezialisten ereifernde Wortgefechte?

Die Natur selbst zeigt uns doch täglich, dass es keine zwanghaften und anderes ausschließenden Grundsätze gibt. Alles ist möglich und darf nebeneinander existieren - auch wenn es noch so wunderlich ist und vielleicht auch, mit menschlich - gärtnerischen Maßstäben gemessen, völlig unsinnig ist.
Stellen Sie sich vor, Sie haben vor zwei Jahren einen Bambus in eine Lücke gepflanzt, damit er diese mit der Zeit ausfülle. Was aber macht der? Er unterwandert Ihre Absicht und den Boden mit einem zähen Spross und taucht unverfroren in drei Meter Entfernung im Rosenbeet wieder auf. Oder Sie setzen die hübschesten Goldfische in Ihren Teich und freuen sich täglich über die Futter schmatzenden Genossen. Doch über Nacht ist der Teich fischleer und Sie starren morgens nur noch auf eine trübe Brühe. Der elegante Reiher war wohl da!
Walderdbeeren, denken Sie, sind der ideale Bodendecker. Die Kinder und Enkelkinder können davon naschen und der Boden ist immer mit hübschen Pflanzen bedeckt. Genau so ist's: Nach drei Jahren hat die kleine, radikale Beere alle anderen Blattpflanzen mit ihren krakenartigen Trieben niedergemacht und feiert die Alleinherrschaft. Oder, Sie setzen farbenprächtige Primeln ins noch kahle Frühlingsbeet. Ein Jahr später grinsen Ihnen ausgebleichte Blütenköpfchen entgegen, die keinerlei Ähnlichkeiten mehr mit der ursprünglichen Pflanze haben. Noch schlimmer: Sie werfen verärgert aber mit schlechtem Gewissen die jahrelang gepäppelten Papagei-Tulpenzwiebeln mit dem gelungenen Schwung einer schwerwiegenden Entscheidung - nämlich dem Todesurteil - auf den Komposthaufen. Monate später trauen Sie Ihren Gärtneraugen nicht: Die Totgeglaubten sprießen im hintersten Kompostwinkel mit frischestem, angeberischen Grün und buntgefransten Blütenköpfen!

Also, liebe Wildnis-Propheten, Ästhetik-Puristen und An-Allem-Nörgler: Üben wir uns in gärtnerischer Toleranz und Großmut! Dann wird das Gartenjahr um so schöner!



Aktualisiert am 05.05.2015